Worum geht es genau? Immer wieder wird in Debatten behauptet, der deutsche Staat würde uns Bürger:innen generell zwingen, zu gendern. Vielfach werden auch Vergleiche mit dem Dritten Reich, der DDR und Nordkorea gemacht.

Was ist dran? Man muss es so deutlich sagen: An so einer Behauptung ist nichts dran. Gar nichts. Der Staat darf und kann Bürger:innen nicht generell zwingen, zu gendern. Der Staat hatte das nie vor, so eine Pflicht wäre ganz eindeutig verfassungswidrig, und sie ließe sich auch völlig unmöglich durchsetzen. Und wie sollte sich so ein Zwang durchsetzen lassen? Mit Bußgeldern? Der Staat zwingt ja nicht einmal zur richtigen Verwendung eindeutig bestehender Regelungen, z.B. des Genitivs (nicht: dem Genitiv). Und selbst wenn jemand „Ärzte“ sagt würde (und nicht „Ärzt:innen“) könnte er (oder sie) ja tatsächlich nur Männer gemeint haben. Und dann wäre der Begriff richtig. 

Allerdings: Auch wenn es schlichtweg Unfug ist, zu behaupten, der Staat würde die Bürger:innen generell zwingen wollen, dürfen oder können – in bestimmten Situationen und in Bezug auf spezielle Gruppen ist das durchaus denkbar. Nämlich überall dort, wo der Staat oder seine Einrichtungen in einem Machtverhältnis zu Bürger:innen stehen: Also zum Beispiel in Schulen, in Universitäten oder gegenüber Beamten, Angestellten sowie Menschen, mit denen sie in einem Vertragsverhältnis stehen. Ob hier so ein Zwang besteht, erörtern wir in eigenen Fragen. Und man könnte auch überlegen, ob es ein „Zwang“ wäre, wenn der Staat oder seine Einrichtungen selbst gendern würde, und dadurch so etas wie ein „Gesellschaftlicher Druck durch eine Vorbildfunktion“ entsteht.

Und: Wir finden es sehr interessant, wie ein Gutachten, das der Verfassungsrechtler und ehemalige Richter am BVerfG, Prof. Hans-Jürgen Papier, erstellt hat, in den Medien kommuniziert wird. Der Titel des Gutachtens lautet „Gendern als verfassungsrechtliche Verpflichtung“. Er hat also untersucht, ob der Staat sogar eine Pflicht zum Gendern hat. Er verneint das als generelle Pflicht, bejaht aber einen grundsätzlichen Auftrag. Die Zeitung „DIE WELT“ macht daraus dann die Headline „Staat darf Bürger nicht generell zum Gendern verpflichten“. Tatsächlich findet man diesen Satz auch in dem Gutachten, allerdings nur in einem Nebensatz und als Feststellung des Offensichtlichen. 

Unser Fazit: Die Behauptung, der Staat würde die Bürger:innen generell zwingen, zu Gendern, ist schlichtweg Unsinn. Mehr als das: Man kann diese Behauptung durchaus als glatte Lüge bezeichnen. Es besteht ganz eindeutig und klar keinerlei gesetzliche Verpflichtung für Privatpersonen, zu gendern. Auf einem anderen Blatt steht, ob so etwas wie ein Zwang besteht, weil der Staat selbst gendert. Manche Menschen mögen das so empfinden, also quasi „Zwang als Vorbild“. Man muss hier aber ganz klar sagen, dass für den Bund, die Länder und die öffentliche Verwaltung aufgrund von Art. 3 GG eine Pflicht (!) besteht, geschlechtergerecht und diskriminierungsfrei zu sprechen. In Satz zwei dieses Grundrechts steht: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Bedeutung für Marketing und Kommunikation: Dieser Punkt hat keine unmittelbare Auswirkung auf Marketing und Kommunikation. Dieses Framing von vermutlich sehr konservativen Journalisten und Aktivisten erzeugt allerdings ein schwieriges Umfeld für das Gendern. So wie für Privatpersonen gilt auch für Unternehmen der Privatwirtschaft (inklusive Medien) keine Pflicht zum Gendern. Allerdings besteht definitiv das Recht, das zu tun. 

 

Wer noch mehr darüber lesen will: