Langfristiger Nutzen schlägt kurzfristige Faszination: Content Marketing ist mehr als eine geile Kampagne!
Der folgende Beitrag wurde erstmals im Magazin „Markenartikel“ in der August-Ausgabe veröffentlicht. Ein großer Dank geht insbesondere an Mirko Lange und Carsten Rossi, die in der Feedback-Schleife extrem hilfreichen Input und Anmerkungen geliefert haben! Viel Spaß beim Lesen!
Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf dem Blog von Mael Roth im August 2015.
Der Begriff „Content Marketing“ ist mittlerweile auch bei uns angekommen. Diese „inhaltsgetriebene Kommunikation“ zielt bekanntlich darauf ab, Kunden durch Inhalte anzusprechen, statt nur
auf die „alten Hebel“ zu setzen: klassische Werbebotschaften und (teilweise) Öffentlichkeitsarbeit. Doch noch ist der strategische und systematische Ansatz – auf Nutzen basierende Kommunikation nicht ganz angekommen.
Tatsächlich ist es eine wahre Herausforderung, denn dieser Ansatz erfordert die Wahrnehmung und marketing-strategische Umsetzung eines Paradigmenwechsels: Kunden interessieren sich nicht für die Marke, sondern für Ihre eigenen Bedürfnisse und die Lösung ihrer eigenen Probleme.
Ein systematischer Ansatz stellt den Kunden in den Mittelpunkt der Kommunikation, ohne dabei die Unternehmensziele aus den Augen zu verlieren.
Das oft genannte Best-Practice Beispiel Curved (von E-Plus) ist im Ansatz zwar langfristiger als eine isolierte Kampagne, jedoch unvollkommen. Inhalte werden in diesem Magazin nach einer Trendanalyse in sozialen Netzwerken und Suchanfragen erstellt, um Nutzer anzulocken. Sind sie auf der Seite, werden sie dann in den Online-Shop geleitet, wo es Angebote der Marke zu kaufen gibt. Hierbei tritt die Marke so extrem in den Hintergrund, dass der Begriff „Schleichwerbung“ regelmäßig fällt.
Aus Marketing-strategischer Sicht ist das Problem jedoch auch, dass sich hier die Aufmerksamkeit und Nützlichkeit, die die Inhalte generieren, nicht auf die Marke auszahlt. Der Absender der Botschaft ist nicht klar. Es geht primär um direkten Abverkauf und die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Inhalte für die Marke ist berechtigt.
Eine andere Kampagnen-Strategie in dem Content genutzt wird, zielt darauf ab, mit einem exklusiveren Inhalt „Leads“ zu generieren. Hierbei wird ein Interessent angelockt, der seine persönlichen Daten kommunizieren muss, um Zugriff auf den versprochenen Content – beispielsweise ein Whitepaper – zu erhalten. Inbound Marketing funktioniert sehr gut, doch auch hier steht oft das „Kampagnen-Denken“ im Vordergrund, d. h. es wird kurzfristig gedacht.
Eine Content Marketing Kampagne ist gut, ein systematischer Ansatz ist besser
Dass wir größtenteils immer noch in Kampagnen denken, ist an sich jedoch nicht schlecht, denn dadurch kriegen Entscheider ein Gefühl für die Wirksamkeit von „Content“. Dies schafft einen internen Business-Case für „Inhalte“.
Marken, die sich mit tatsächlichen Themenwelten und Problemstellungen ihrer Zielgruppen auseinandersetzen werden, stellen Nützlichkeit in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation, sodass Content als Funktion innerhalb des Unternehmens sich etabliert. Im Wesentlichen gilt es zu realisieren, dass der potenzielle Kunde und/oder Bestandskunde seine wertvolle Zeit und Aufmerksamkeit investiert. Dies müssen wir als Kommunikatoren und Vermarkter wertschätzen. Unsere Zielgruppen sind ungeduldiger geworden und weniger tolerant gegenüber Werbung.
Wir tendieren dazu, es als selbstverständlich anzusehen, dass man sich für das Unternehmen und die Marke interessiert (und die Inhalte in direktem Zusammenhang mit diesem). Davon gilt es sich zu verabschieden, denn die Aufmerksamkeitsspanne sinkt stetig. Das ist aus Konsumenten-Sicht auch verständlich, werden wir von tausenden von Nachrichten in jeglicher Form bombardiert. Es setzt ein Filter ein, der in direkter Relation zu unserem steigenden Medienkonsum steht. Mehr Inhalte erfordern einen strikteren Filter. Wenn Marken sich Aufmerksamkeit verdienen müssen, statt sie einzukaufen, ist Nützlichkeit als Strategie kein „kann“ mehr, sondern ein „muss“, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben und eine positive Einstellung von potenziellen Kunden zu genießen. Das haben unsere Freunde von Übersee schon verstanden.
Was wir uns von Unternehmen in anderen Ländern abgucken können
Während wir uns in Deutschland noch darum streiten, wer denn jetzt „Content“ besser kann (Public Relations? Marketing?), haben unsere Freunde aus Übersee schon damit angefangen unternehmensinterne Silos und nicht mehr zeitgemäße Jobroles abzuschaffen, um eben jene neue, zeitgemäße Workflows und Zuständigkeiten zu schaffen.
Marketeers bei Uncle Sam haben mittlerweile den Zusammenhang zwischen Nützlichkeit in der Kommunikation und Vertrauen besser integriert, als Unternehmen im deutschen Markt. Folgende Beispiele verdeutlichen dies:
Columbia Sportswear entwickelte eine App namens „What Knot to Do in the Greater Outdoors“, die Outdoor-Fans dabei hilft, Knoten bei Outdoor-Aktivitäten je nach Bedarf zu binden.
Ein weiteres gutes Beispiel ist der „Ajax Social Wipes“ – ein Online Tool mit dem man seinen Twitter Account von Spam- und Robot-Accounts säubern kann. Der Nutzen liegt auf der Hand und ist mit dem Produkt-Benefit verbunden.
Auch bei unseren Nachbarn in Frankreich gibt es ein nennenswertes Beispiel mit der App „Gouzi“ von Evian, über die ich schon vor einigen Monaten berichtete. Sie soll bei der elterlichen Fürsorge unterstützend als Tagebuch eingesetzt werden und somit Eltern dabei helfen, die Entwicklung des Kindes optimal zu betreuen.
Was von Einigen als nette Spielerei gesehen wird, bietet allerdings die Grundlage für einen erfolgreichen Ansatz, welcher langfristig in die Kommunikationsstrategie integriert werden kann. Ein solches Beispiel bieten Unternehmen wie Birchbox, die mit Beauty-Tipps potenzielle und Bestandskunden in dem Bereich inspirieren oder die Marketing-Plattform Hubspot, die mit ihrem ausgezeichneten Blog und einer großen Online-Bibliothek eine wahre Goldgrube für digitale Marketeers zur Verfügung stellt.
Doch systematisches Content Marketing kann auch zur Marktforschung eingesetzt werden. So verwendet der Konzern Kraft Foods – 98% Marktdurchdringung in den USA – Inhalte nicht um Engagement mit Konsumenten aufzubauen oder aufrecht zu erhalten, sondern um sie noch besser zu verstehen. Über 22 000 Attribute werden gekennzeichnet und verfolgt, wenn Nutzer mit den Inhalten im Netz interagieren.
Diese Beispiele haben alle eines Gemeinsam: sie bieten dem Nutzer einen praktischen Nutzen und verstehen Kommunikation als Dienstleistung, die gleichzeitig mit den Markenzielen im Einklang sind und auf das „Markenkapital“ einzahlen, bzw. ein spezifisches Marketingziel verfolgen.
Es ist nicht einfach, denn dieses neue Verständnis bringt eine ganze Reihe von strukturellen Veränderungen mit sich und muss in die Unternehmenskultur integriert werden, damit nicht nur die Kommunikation, sondern auch andere Touchpoints von einem positiven Erlebnis geprägt werden. Dieser Paradigmenwechsel benötigt eine Transformation. Zu oft werden Inhalte in sog. Silos erstellt – jede Abteilung erstellt seinen eigenen Content aus eigener Perspektive heraus – und dabei verlieren sie den Konsumenten aus dem Blick.
Doch diese Transformation ist notwendig. Diesem Paradigma müssen wir – Kommunikatoren und Strategen – uns stellen, indem wir uns intensiver mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Zielgruppe(n) auseinandersetzen.
Fazit – Wertschöpfung durch systematische Nützlichkeit
Marken müssen sich in Zukunft weniger durch erzwungene Aufmerksamkeit und mehr durch empfundene Nützlichkeit und Erlebnis-Faktoren definieren. Natürlich ist Werbung nicht tot. Sie kann Content hervorragend ergänzen. Da die Aufmerksamkeitsspanne jedoch stetig sinkt und die Werbeinflation so extrem geworden ist, werden durch nützliche und unterhaltsame Inhalte die Weichen für eine effizientere Kommunikation gelegt.
Gelingt der Aufbau dieses Systems, entsteht eine nachhaltige Wertschöpfung im Sinne beider beteiligten Parteien: Unternehmen und Konsumenten. Die gute Nachricht: es war noch nie so zugänglich für Unternehmen, zu verstehen, wie unsere Zielgruppe tickt! Die Welt tut sich auf und das Netz bietet und unzählige Ansatzpunkte.