Von Social Media zu Content Marketing: „Wir müssen aufhören, vom Kanal her zu denken!“

VonMirko Lange

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Ich werde oft von Studenten, Journalisten, anderen Bloggern, Unternehmen und Zuhörern auf Vorträgen gefragt, was meiner Ansicht nach der größte Fehler sei, den Unternehmen mit Social Media machen. Und ich habe da meistens nur eine einzige Antwort: Dass die Unternehmen vom Kanal her denken! Dabei hat sich dieses Denken seit Jahren eingeschleift: Die erste Frage, die sich alle stellen ist  “Wie erreiche ich meine Zielgruppe?” Und da denken Sie sofort an “Kanäle”. Aber das ist ein Denkfehler! Und zwar ein folgenreicher. Denn er schafft viele Probleme!

Um zu verstehen, was ich meine, hilft diese Grafik. Dort ist der Kanal ganz bewusst die Peripherie und nicht das Zentrum. Die Kanäle sind ja die “Medien” also die Überträger der Contents und sind deswegen auch “außen”. Im Zentrum liegt allerdings die “Story”, welche die Relevanz für die Bezugsgruppen definiert – aber auch den Nutzen für das eigene Unternehmen. Die “Story” ist das Herz und der Kopf aller Aktivitäten – und ich meine jetzt nicht nur die “Story” im Sinne von “Storytelling” – sondern auch und vor allem die “Story” in journalistischem Sinn. Meine Empfehlung ist: Denken Sie vom Zentrum nach außen – und nicht von außen zum Zentrum. Und warum das ganz viele strategische, konzeptionelle und auch ganz praktische Vorteile hat, will ich hier erläutern.

Der talkabout “Story Circle 2.0”

Von Social Media zu Content Marketing

Wir schlagen unseren Kunden folgendes vor und setzen auch alle unsere Projekte dem entsprechend um. Und hier finden Sie mehr Informationen zum Thema Content Marketing und Content Strategie:

Die Story

Zuerst definieren wie die “Story”. Das ist die Leitidee. So wie “Happiness” bei Coca-Cola. Oder “Freude am Fahren bei BMW”. Oder “Vorsprung durch Technik” bei Audi. Das kann aber auch “Wir helfen wo wir können” sein wie bei Telekom-hilft oder dem Social Media Team der Bahn. Diese Leitidee kann mit der Marke übereinstimmen (sollte es im Idealfall auch), muss aber nicht. Denn wir entwickeln sie aus der Perspektive unserer Bezugsgruppen heraus – nach den “Personas” und der “Customer Journey”.

Der größte Fehler bei Social Media ist, wenn man vom Kanal her denkt.

Mirko Lange

Aber gleichzeitig definieren wir hier unsere Botschaften, “die Moral von der G’schicht” sozusagen.  Die Kunst ist, in der Story die Interessen der Bezugsgruppen und die unseres Unternehmens zu vereinigen. Aber gehen Sie nie weiter, ohne dass Sie eine gute Story haben. Denn sie ist Ihr Leitstern – und ohne Leitstern werden sie sich verlaufen. Todsicher. (Pssst: Die “Story” ist übrigens in den wenigsten Fällen: “Mein Haus! Meine Yacht! Mein Auto! !0 Gründe warum ich so toll bin!”).

Die Themen

Aus dieser Leitidee entwickeln wir “Themen”. Und da ist “Leit”-Idee wörtlich gemeint. Wir lassen uns von der Idee, von der Story leiten. Wie wollen die “Geschichte” erzählen. Was könnten die einzelnen Kapitel sein? Worüber können und müssen wir sprechen, um der Idee Leben einzuhauchen? Was brauchen wir nicht, was würde die Geschichte vielleicht sogar stören? Reden wir über uns selbst? Oder den Markt? Bieten wir Unterhaltung? Oder doch “Service”? Und wie kombinieren wir alles gut zusammen? Hier zeigt sich, wie wichtig die “Story” ist. Denn abstrakt lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Die einzige Frage die zählt ist: Dient das Thema unserer Story?

Die Protagonisten

Protagonisten sind das, was einer Geschichte das Leben verleiht. Dazu muss man gar nicht das Modewort “Storytelling” zu bemühen. Wir müssen wissen über wen oder was wir sprechen. In einer Liebesgeschichte braucht es (mindestens) zwei Liebende. Aber braucht es da auch einen Vertriebsmenschen? Jemand, der dem liebenden paar immer nur etwas verkaufen will? Eher nein. Aber vielleicht ist der Vertriebsmensch ja ein guter Freund der Familie und bringt die Liebenden zusammen? Dann macht es wieder Sinn. Dann stiftet er nutzen und wird auch sympathisch sein. Es kommt nur darauf an, dass Sie die Rollen richtig verteilen!

Die Formate

Mit den Formaten wird es konkret. Denn hier beginnt die eigentliche Inszenierung. Denn sie können die Themen und Protagonisten immer wieder neu in Szene setzen. Die Story bleibt die gleiche. Auch die Botschaften verändern sich nicht. Aber Sie variieren, wie sie es sagen. Mal singen sie es, mal spielen sie es, mal sprechen sie kurz, mal lang, mal beschwingt und mal getragen. Das Schöne ist: Durch Social Media gibt es so viele neue Formate. Spielen Sie mit Ihnen.

Content muss sich nach der Story richten. Nicht nach dem Kanal.

Mirko Lange

Die Kanäle

Und ganz am Schluss kommen die Kanäle. Ganz. Am. Schluss. Er spielt eben keine “zentrale” Bedeutung. Es ist nur die Distribution. Und das Schöne ist: Es kostet sie nicht mehr, wenn sie einen guten Content über 20 Kanäle streuen, als wenn Sie es nur über einen tun. Damit müssen Sie auch nicht mehr groß überlegen, über welchen Kanal Sie denn am besten Ihre “Zielgruppen erreichen”. Denn die Antwort ist: Über viel mehr als Sie denken! Und vielleicht sind 70% Ihrer Zielgruppe auf Facebook und nur 10% auf Google+ – aber es kann Ihnen doch egal sein, über welchen Kanal der Auftrag kommt – oder?

Der Kontakt

Und hier gibt es zwei wichtige Erkenntnisse. Erstens: Es gibt vier verschieden Typen von Kontakt: “Pull”, “Match”, “Push” und “Meet”. Bei “Pull” wird deutlich, wie viele Suchmaschinen es gibt: Nicht nur Google. Die Menschen suchen wie blöde! Und deswegen macht es auch Sinn, den Content in möglichst vielen Formaten (kanalgerecht) aufzuarbeiten und in die verschiedenen Dienste einzustellen. “Match” bedeutet, genau die Interessen eines Multiplikators zu treffen, “Push” wie gehabt vor allem das Thema “Paid Media” (aber auch “Mailings” und last) but not least das Thema “Meet”. Das darf man nicht unterschätzen. Ein Treffen “in real life”, sei es auf einer Messe oder einer Konferenz ist immer noch der beste Platz, um Content “an den Mann” (oder die Frau) zu bringen. Was meint Ihr? Ist das eine hilfreiche Ergänzung? Ich freue mich über eine Bewertung, Kommentare und Shares!

Das Problem von “kanal-zentrisch”

Dieses Vorgehen bietet in einen ganz klaren Nutzen. Ich will Ihnen nur die vier wichtigsten nennen:

Die Facebook-Falle

Wer zuerst an einen Kanal denkt, denkt zuerst an Facebook. Klar, das ist das Netzwerk mit der größten Reichweite. Zumindest in B2C. Aber Content nur für Facebook zu entwickeln ist dumm nicht klug. Das schränkt Sie ein. Sie können auf Facebook keine komplexeren Dinge behandeln. Sie können Texte nicht gliedern oder gut lesbar machen. Die Lebensdauer eines Facebook Posts ist kurz: Ist er einmal aus den Timelines raus, ist er weg. Für immer. Man findet ihn nicht mehr. Und in Google taucht er auch nicht auf.

Soll ich meinen Gästen nur Suppe anbieten, nur weil Facebook keine Messer hat?

Mirko Lange

Oder Sie denken an Xing, wenn sie mehr im Bereich B2B unterwegs sind. Hier gilt das gerade gesagte analog. Wenn ich ein Koch bin, dann will ich meinen Gästen das kochen, was ihnen schmeckt. Und nicht das, was der Raum zulässt, in dem ich meine Gäste bewirte: Soll ich meinen Gästen wirklich nur “Suppe” anbieten, nur weil Facebook aus sicherheitstechnischen Gründen nur Löffel aber keine Messer hat?

Die Content-Falle

Wenn Sie in “Facebook” denken, dann fragen Sie sich natürlich: Was kann ich auf Facebook posten? Und dann entwickeln Sie Content für Facebook. Da gibt es auch genug Regeln, genug  Tipps “was funktioniert” und was nicht. Und wenn Sie dann noch ein zweites Netzwerk bedienen, dann gibt es dort wieder andere Regeln. Also erstellen Sie dann extra Content für das andere Netzwerk. Und dann noch anderen Content für wieder einen anderen Kanal. Und Ihre Kollegen machen das auch. Die PR erstellt dann noch Content für die Pressemitteilung – ist ja auch ein eigener Kanal. Und das Marketing für die Werbung. Usw. Und jeder erstellt den Content immer wieder neu. Viel effizienter ist es doch, den Content ein Mal zu erstellen und ihn dann nur noch für die Kanäle zu adaptieren!

Die Limitierungs-Falle

Wenn Sie so vorgehen, wie oben beschrieben, dann landen Sie unweigerlich dabei, die Kanäle zu reduzieren. Denn jeder zusätzliche Kanal kostet Sie Zeit und macht Ihnen Mühe. Das erlebe ich ständig, dass Kunden mir das berichten. Aber das ist ja gegen Ihr Interesse! Denn “mehr Kanäle” bedeutet nicht nur “mehr Reichweite”, sondern auch größere Vielfalt. Vor allem ist es in vielen Fällen sinnvoll, ganz bestimmte Kanäle auszuwählen, weil sie in bestimmten Fällen eben doch sehr affin für einzelne Zielgruppen sind.

Der Nutzen von “content-zentrisch”

Wenn Sie vom Content und von der Story her denken, haben Sie einen ganz klaren Nutzen. Ich will Ihnen nur die vier wichtigsten nennen:

Strategie

Zunächst haben Sie eine “Strategie”. Sie haben vom ersten Schritt an eine Idee, ein Ziel, etwas das Ihnen hilft das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Sie wählen zum Beispiel Ihre Themen nicht danach aus, wer gerade am lautesten schreit. Oder was Ihnen gerade gefällt. oder was Sie meinen, was Ihrem Chef gefällt. Sondern danach, was Sie auf dem Weg zu ihrem Ziel voran bringt. Und was nicht passt – lassen Sie weg!

Was poste ich? Was meine Botschaft transportiert oder was viele Likes bekommt?

Mirko Lange

Reichtum

Ein weiterer Vorteil ist, dass Sie nie werde sagen werden: Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Die immer neue Kombination von Themen, Protagonisten, Formaten und Kanälen geben Ihnen ein unerschöpfliches Potenzial an “Content”. Haben Sie keine Angst, dass das langweilig wird. Die Geschichte vom armen Mädchen, das sich in einen Prinzen verliebt ist auch schon 1 Million Mal erzählt worden. Und die Menschen werden nicht müde, sie zu hören!

Viele Kanäle

Mit diesem Vorgehen können Sie auch die schöne (aber völlig widersinnige) Idee von der “Reduktion der Kanäle” auf den Müll schmeißen. Das höre ich immer wieder. Das ist falsch. Das Gegenteil ist der Fall! Sie müssen nicht über weniger, sie müssen über mehr Kanäle kommunizieren. Zumindest dann, wenn es die Formate hergeben. Das Problem an der Kanaldenke ist, dass man für jeden einzelnen Kanal eigenen Content entwickeln will. Und muss – natürlich, wenn man vom Kanal her denkt. Wenn Sie aber vom Content her denken, dann entwickeln sie zuerst den Content – und wenn sie ihn schon mal haben, was spricht denn dagegen, wenn sie ihn über jeden möglichen Kanal verteilen. Ihnen muss doch geradezu daran gelegen sein.

Wenn Sie den Content richtig konzipiert haben, dann werden Sie auch merken, dass er nicht nur für Facebook gut ist! Wie sollte es auch anders sein! Wenn Sie relevante Themen für Ihre Bezugsgruppen entwickelt haben, wäre es doch geradezu widersinnig, ja regelrecht Verschwendung, ihn nur auf Facebook anzubieten. Dort hat er eine Lebensdauer von einigen Tagen, manchmal gar nur Stunden und ihn sehen oft nur ein kleiner Prozentsatz Ihrer Fans. Nein! Nehmen Sie den Content und streuen Sie ihn über jeden anderen Kanal der möglich ist. Da ist es auch egal ob das Offline ist!

Es gibt keine größere Verwendung als das Falsche richtig gut zu machen.

Mirko Lange

Warum sollten Sie denn einen guten Blogartikel nicht auch einem Kundenmagazin verarbeiten? Oder als Fachartikel für die Presse aufbereiten? Oder als Case für einen Vortrag auf einer Konferenz! Und dann lohnt sich auf einmal der Aufwand für die Content-Produktion!

Fazit

Also: Lassen Sie sich darauf ein. Vergessen Sie mal die Kanäle und denken Sie an die Geschichte! Und ach ja: Das ist übrigens keine Frage von B2B oder B2C. Im Gegenteil: In Ihrem B2B- Bereich gibt es 100 Mal mehr zu erzählen als im B2C-Bereich – und hier können Sie sich mit gutem Content noch viel besser in Ihrem Bereich als Komptenzführer positionieren als das ein Konsumgüterhersteller könnte. Und überlegen Sie doch mal: Einem Hersteller von Toilettenpapier gehen doch sicher früher die Themen aus, oder nicht? Viel Spaß!

Der Autor

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Mirko Lange

Gründer Scompler

Mirko Lange ist seit 27 Jahren Kommunikations-Berater und seit 2001 Dozent an mehreren Hochschulen. Er hatte ab 1999 eine der ersten Beratungsunternehmen für Online-PR in Deutschland und hatte sich ab dem Jahr 2008 einen Namen als erster Spezialist für Unternehmenskommunikation im Social Web gemacht. Hier hat er in den Jahren 2010 ff. unter anderem die Deutsche Bahn („Facebook-Ticket“) und Nestlé („Kitkat“) in der Krisenkommunikation beraten, über welche die ersten „Shitstorms“ in Deutschland hinwegzogen. In der Folge hat zum Beispiel die Deutsche Bahn ihre komplette Kommunikation auf das Social Web ausgerichtet, diesen Prozess hat Lange begleitet. Aus diesem Projekt entstand die Kommunikationsmanagement-Software Scompler. Scompler hat inzwischen mehr als 300 Kunden, unter ihnen 6 DAX-Unternehmen.